Mittwoch, 25. November 2015

Ränderleben


Nun habe ich Herrndorfs letzten, unvollendeten Roman gelesen: Bilder deiner großen Liebe. Am Ende ein sehr anstrengendes Buch, wie ich finde, voller Bedrohlichkeit. Dabei ist so vieles lustig und auch sehr witzig; Galgenhumor, muss man wohl sagen. Das Mädchen, aus der Klappse wie sie sagt geflohen und auf Pilgerschaft zu ihrem Vater. Sie ist immer mit Rändern in Verbindung: solchen der bewohnten Räume, auch viel nachts. Und dann vor allem mit Menschen aus Randgruppen. Einige – wie sie selber – nur schrullig; viele in sich verkrallt. Nicht wenige auch ekelig, penetrant. Jedenfalls immer unaufmerksam, desinteressiert. Bedrohlich in ihrem Egoismus.-
Ein wenig Sehnsucht nach Zivilisationsabstand, Wald bei der Nacht, schlafende Dörfer, zu Fuß marschieren usw hab ich schon gespürt. Aber hier wird gleich klar, dass das kein Kinderspiel ist. Das ist nicht Leben, sondern Überleben, mit Schmerzen und Gefahr. Man muss sich hüten, kitschig zu werden und so ein gestörtes, zerstörtes Leben zu romantisieren. Jedenfalls wieder eine eindrucksvolle künstlerische Leistung dieses unglücklichen Autors.

Wolfgang Herrndorf
Bilder deiner großen Liebe

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