Donnerstag, 26. November 2015

Menschheitsentwicklung


Lieber Georg,
zum Wochenende waren Barbara und ich mit Freunden aus Freiburg zu unserem traditionellen Herbsttreffen in Halle, eine schöne und kulturreiche Stadt. Allein schon das dortige Prähistorische Museum, angeblich das größte Europas ist die Reise wert und könnte einen mit seiner modernen Museumspädagogik und der wunderbaren Himmelsscheibe aus Nebra einen ganzen Tag fesseln.
In unruhigen und bedrohlichen Zeiten geht es mir so, dass ich Halt finde in der Einsicht in größere Zusammenhänge. Eine Entdeckung im Museumsshop war hier das Buch des israelischen Universalgeschichtlers Yuval Noah Harari "Eine kurze Geschichte der Menschheit" (na ja, immerhin gut 500 Seiten!). Harari beschreibt darin sehr unkonventionell und kenntnisreich die drei großen Revolutionen der Menscheitsentwicklung und ihre Folgen: Kognitive Revolution (Erfindung der menschlichen Sprache vor 70 000 Jahren), Agrarische Revolution vor 10 000 Jahren, Wissenschaftliche Revolution vor 500 Jahren. Etwas flapsige Sachbuch-Sprache, manchmal überspitzte Beispiele, aber gut lesbar und sehr erhellend.
Heiner Legewie

Yuval Noah Harari
Eine kurze Geschichte der Menschheit

Mittwoch, 25. November 2015

Ränderleben


Nun habe ich Herrndorfs letzten, unvollendeten Roman gelesen: Bilder deiner großen Liebe. Am Ende ein sehr anstrengendes Buch, wie ich finde, voller Bedrohlichkeit. Dabei ist so vieles lustig und auch sehr witzig; Galgenhumor, muss man wohl sagen. Das Mädchen, aus der Klappse wie sie sagt geflohen und auf Pilgerschaft zu ihrem Vater. Sie ist immer mit Rändern in Verbindung: solchen der bewohnten Räume, auch viel nachts. Und dann vor allem mit Menschen aus Randgruppen. Einige – wie sie selber – nur schrullig; viele in sich verkrallt. Nicht wenige auch ekelig, penetrant. Jedenfalls immer unaufmerksam, desinteressiert. Bedrohlich in ihrem Egoismus.-
Ein wenig Sehnsucht nach Zivilisationsabstand, Wald bei der Nacht, schlafende Dörfer, zu Fuß marschieren usw hab ich schon gespürt. Aber hier wird gleich klar, dass das kein Kinderspiel ist. Das ist nicht Leben, sondern Überleben, mit Schmerzen und Gefahr. Man muss sich hüten, kitschig zu werden und so ein gestörtes, zerstörtes Leben zu romantisieren. Jedenfalls wieder eine eindrucksvolle künstlerische Leistung dieses unglücklichen Autors.

Wolfgang Herrndorf
Bilder deiner großen Liebe